Optical Vacuum
 
 

Optical Vacuum

von Dariusz Kowalski
Produktion: Medienwerkstatt Wien

Ausgezeichnet auf dem
Festival International du Documentaire Marseille 2008
Special Mention / First Film Prize
 
Nirgendwo wird die Rede vom "panoptischen Zeitalter", von einem Auge, das alles erfasst und selbst unfassbar bleibt, deutlicher, als in eben dem Medium, das Allgegenwart und Flüchtigkeit im globalen Maßstab umgesetzt hat: das Internet. Im Netz wird das bisherige Paradigma unserer bildgebenden Apparate hinfällig: Keine singuläre Zentralperspektive mehr, sondern Myriaden von Blickwinkeln, übertragen aus Webcams, die pausenlos Bilder in den digitalen Datenstrom pumpen. So ist das "Vakuum" im Titel von Dariusz Kowalskis 55-minütigen filmischen Essay keine Leere, sondern ein mächtiger Generator, eine unablässige Verdoppelung der Welt ins Bild.
 
Was so entsteht, ist eine Überwachung, die ihren alten Wortsinn wieder spürbar werden lässt: die Über-Wachheit, die Halluzinationen erzeugende Anstrengung, die ein Auge erleidet, das weder blinzelt noch schläft. Über Jahre hat Kowalski Bilder aus dem Strom gefischt, die wie eine Flaschenpost für niemanden gedacht waren und die jeder empfangen konnte. Wie Traumbilder gleiten sie an uns vorüber, ein oneirisches Panoptikum, in dem mitunter Momente irritierender Schönheit sichtbar werden.
 
Die Errettung der physischen Realität, die Kracauer sich noch vom Kinematographen erhoffte, hier geschieht sie als Aufnahme in die unermesslichen Archive des Cyberspace. Optical Vacuum eröffnet mit Ansichten endloser Reihen von Rechnern, den Bildspeichern des Internet. Wie die Gartenlandschaften des höfischen Zeitalters folgen diese Serverparks einer strengen Geometrie, und auch sie vermitteln die Erfahrung der Welt durch das Sehen. Später zeigt Kowalski uns Winterlandschaften, Waschsalons, Arbeitsplätze, Spieltische. Das vom Künstler Stephen Mathewson eingesprochene Tagebuch eines Jahres liefert dazu das Protokoll einer Einsamkeit in einer Welt, die Menschen nur noch als flüchtige Schemen vor immergleichem Hintergrund kennt.
Text: Dietmar Kammerer