Fotos main site: Im Zeichen des Ungehorsams, Postkarte © memoryPROJECTS 2011, Belgierkaserne © Ernst Logar 2012
 
 

nicht eingelöst
Ernst Logar I memoryPROJECTS

Eva Brunner Szabo 1961–2012 | Gert Tschögl

 
Ausstellungseröffnung
Donnerstag, 22.November 2012, 19.00 Uhr
Gerda Lampalzer im Gespräch mit Ernst Logar und Gert Tschögl
 
Medienwerkstatt Wien
Neubaug. 40a, 1070 Wien
 
Ausstellungsdauer: 23.11.2012 bis 10.12.2012
Fr, Sa, Mo 14:00 bis 18:00 Uhr
 
nicht eingelöst
Belgierkaserne © Ernst Logar 2012

Ort der Unruhe
Ernst Logar, 2012


Der Ausgangspunkt Ernst Logars aktueller Arbeit in der Medienwerkstatt Wien sind die Ereignisse der Maitage 1945. Damals ließ die SS verscharrte Hingerichtete aus Bombentrichtern der SS-Kaserne Graz-Wetzelsdorf von Häftlingen ausgraben. „Dieser Vorgang, der unter Zeitdruck möglichst unbemerkt stattfinden sollte, wurde, wie man heute weiß, nicht vollständig durchgeführt. Dieser Sachverhalt ist die Grundlage von Hinweisen und Gerüchten, dass sich nach wie vor Gräber auf dem Areal der Kaserne befänden." Georg Hoffmann: SS-Kaserne Graz-Wetzelsdorf - Im Spannungsfeld des Kriegsendes und der Nachkriegsjustiz, in: Historisches Jahrbuch der Stadt, Graz, Bd. 40, Graz 2010, S. 324
 
Ernst Logar, der sich schon 2004 in seiner Arbeit „Den Blick hinrichten“ intensiv mit den NS-Verbrechen am Feliferhof und der Belgierkaserne (Ehemalige SS- Kaserne Graz-Wetzelsdorf) auseinandersetzte, beschäftigt sich in seiner aktuellen Arbeit mit dem neuen Denkmal (Gedächtnishain) am Areal der heutigen Belgierkaserne. Dieser Gedächntishain wurde - nach wissenschaftlicher Aufarbeitung der in der ehemaligen SS- Kaserne Graz-Wetzelsdorf erfolgten NS-Verbrechen - am Ort der lokalisierten Bombentrichter (Stellen der vermuteten Massengräber am Kasernengelände) errichtet und im Dezember 2011 von Bundesminister Norbert Darabos offiziell eröffnet.
 
In der Ausstellung setzt sich Logar intensiv mit diesem vielschichtigen Ort auseinander, der einerseits den historischen Tatort, andererseits die letzte Ruhestätte und letztendlich einen Ort der Erinnerung darstellt. Ein wichtige Aspekt dabei ist die Tatsache, dass der reale Nachweis, dass sich auf dem Gelände wirklich die letzten Überreste der Opfer befinden, nie erbracht wurde. Der Ort ist so zum Ort der Wahrscheinlichkeit, zum Ort der Ungewissheit, zu einem Ort der Unruhe geworden. Und das Denkmal zum Zeiger, der auf etwas verweist, was da und doch nicht da ist.
 
In einer installativen Arbeit und mittels Videointerviews mit unterschiedlichen Personen, die an der Aufdeckung und der Erforschung der Kriegsereignisse in der Belgierkaserne sowie an der Umsetzung der Gedächtnisstätte beteiligt waren, versucht Logar die Problematiken dieses Gedächtnisortes aufzuzeigen und die Hintergründe offizieller Gedenkkultur zu durchleuchten.
 
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Belgierkaserne © Ernst Logar 2012

Im Zeichen des Ungehorsams


memoryPROJECTS

Aktion im Rahmen des Kunstfestivals „Leonart 2011“ am 23. und 24.September 2011 in Leonding. Remake im Rahmen der Ausstellung „NICHT EINGELÖST“ in der Medienwerkstatt Wien 2012
 
memoryPROJECTS
Im Zeichen des Ungehorsams, Postkarte © memoryPROJECTS 2011
 
Für das Kunstfestival LEONART 2011, das unter dem Titel „UNGEHORSAM. Widerstand ist zwecklos?“ ausgeschrieben war, reichte memoryPROJECT das Projekt „Im Zeichen des Ungehorsams“ ein. Es sollte das letzte Projekt von memoryPROJECTS sein. Als Erinnerungsprojekt konzipiert, wollte es individuellen Ungehorsam und Widerstand in den Jahren 1933 bis 1945 auf lokaler Ebene ins Gedächtnis rufen. Dabei sollte ein temporärer Prozess in Gang gesetzt werden, der den öffentlichen Raum zum Medium für die Auseinandersetzungen mit der Geschichte und Geschichtspolitik macht. Im Sinne eines „Ungehorsams gegen das Vergessen“ war geplant Verbreitungsstrategien einzusetzen, die Entsprechungen zu jenen der Jahre 1933-1945 hatten.
Der Projektvorschlag sah daher den Abwurf von Postkarten über dem Stadtgebiet Leondings vor, um an zeitgeschichtliche Formen des Ungehorsams und Widerstandes im Austrofaschismus und Nationalsozialismus zu erinnern - welche Menschen aus Leonding geleistet hatten und dafür verurteilt worden waren. Auf vier unterschiedlichen Postkarten wurde mit kurzen Biografien an vier Personen aus Leonding erinnert, die gegen die Diktatur ihrer Zeit und für demokratische Verhältnisse eingetreten waren. Der Abwurf der Postkarten sollte auch ein Verweis auf die Praxis der Alliierten sein, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Flugblätter mit dem Aufruf zum Widerstand gegen die Naziherrschaft abzuwerfen. Zusätzlich war geplant, im Zentrum Leondings Informationsständer aufzustellen, welche die Postkarten im Großformat zeigten. Dies sollte das Projekt auch während der gesamten Festivallaufzeit visualisieren, da die abgeworfenen Postkarten schon nach kurzer Zeit durch die städtische Reinigung oder durch Mitnahme von PassantInnen verschwunden wären. Wie eine der Festivalkuratorinnen - Dagmar Höss - uns bestätigte, wurde die behördlicherseits zu genehmigende Aktion des Abwurfes, von der zuständigen Behörde des Landes Oberösterreich positiv bescheinigt. Die Entscheidung der Stadtgemeinde Leonding betreffend den Abwurf der Postkarten fiel jedoch negativ aus. In diesem Sinne konnten wir das Ziel unseres Projekts trotz Unterstützung der Festivalleitung nicht erreichen und einlösen. Für die Recherche zum Projekt wurden wir vom verantwortlichen Kulturamt der Stadt Leonding jedoch voll unterstützt. Da die negative Entscheidung seitens der Stadtgemeinde sehr kurz vor Festivalbeginn erfolgte, entschieden wir uns, die Verbreitung der Postkarten in einer dem Thema des Festivals entsprechenden Form durchzuführen. Im Umfeld des Stadtzentrums, wo auch der Abwurf aus einem Kleinflugzeug geplant war, streuten wir die Postkarten händisch in der Nacht vom 23. auf den 24. September 2011. Mit diesem Kompromiss wurden die Postkarten zwar nicht spektakulär durch ein Kleinflugzeug während des Wochenmarktes abgeworfen, der Effekt der Verbreitung der Postkarten im Stadtzentrum entsprach jedoch dem Projektvorhaben und dem Vertrag mit LEONART 2011.
Das Remake in der Medienwerkstatt Wien präsentiert dieses letzte Projekt von memoryPROJECTS aber nicht alleine unter dem Aspekt von „NICHT EINGELÖST“. Die gezeigte Installation „Archiv“ steht auch für den Beginn der Arbeiten von memoryPROJECTS im Jahr 1998/99. Diese begann mit einem Projekt im Burgenland unter dem Titel „Museum der Erinnerungen“. In fünf Ausstellungen wurden Foto/Text Tableaus zu anonymen historischen Fotos aus der Sammlung von memoryPROJECTS gezeigt. Die Fotos wurden zuvor in einer Tageszeitung, per Postversand und im Internet publiziert, und die LeserInnen gebeten, ihre Assoziationen und Erinnerungen zu diesen Fotos einzusenden. Neben den Text/Foto Tableaus zeigten wir auch zwei Installationen. Die Installation „Archiv“ wies auf das statische Kategorisieren und Speichern von analogen historischen Fotografien hin. Eine weitere Installation „Zufallsbildgenerator“ verdeutlichte die dynamische Zufälligkeit in der Auffindung anonymer, historischer Fotos.
Nach dem Ende der Ausstellungserie verwendeten wir die Installation „Archiv“ als reales Archiv für die Foto- und Materialsammlung von memoryPROJECTS. Neben den Objekten, Einzelfotos und Fotoverweisen im Archiv stellen anonyme Fotoalben den Hauptbestand der Sammlung von etwa 10.000 Fotografien dar. Der Sammel- und Arbeitsprozess seit 1999 verlangt eine ständige Veränderung bei der Beschriftung der Archivschachteln. Die ausgestellte Installation zeigt den Ist-Zustand im Oktober 2012 und lagert unter anderem auch die Dokumentation des nicht ganz eingelösten Projekts „Im Zeichen des Ungehorsams“ ein.
 
memoryPROJECTS
Museum der Erinnerungen Ausstellungsansicht OHO Galerie, Oberwart © memoryPROJECTS 1998